Mit 15 Schülerinnen und Schülern der Pohlheimer Adolf-Reichwein-Schule sind die Leiterin des Fachbereichs Gesellschaftslehre Frau Filiz Bulut mit Vertreterinnen des Vereins Stolpersteine Pohlheim e.V. dem Überlebensweg der jüdischen Brüder Siegbert Werner und Ferdinand Manfred Katz gefolgt, die 1939 mit einem Kindertransport aus Watzenborn-Steinberg in die Niederlande fliehen konnten.
Die Jugendlichen besuchten das Denkmal „The Orphan Carousel“ (das Waisen-Karussell) der israelischen Künstlerin Yael Bartana an der Ecke Gallusanlage/Kaiserstraße in Frankfurt am Main. Das Karussell kann als solches von den Passantinnen benutzt werden, dabei gerät der Frankfurter Hauptbahnhof in den Blick. Auf dem Karussell befinden sich die Inschriften „Auf Wiedersehen Mutter“, „Auf Wiedersehen Vater“ und „Auf bald mein Kind“. Das Karussell soll ermöglichen, dass den heutigen Kindern und Jugendlichen über das Unfassbare, welches den Kindern und Jugendlichen 1938/39 geschehen ist, erzählt werden kann.
Am Denkmal haben sich die Jugendlichen mit Frau Angelika Rieber vom Verein Jüdisches Leben in Frankfurt getroffen, die seit vielen Jahren über die Kindertransporte aus Frankfurt forscht und viele Details sowohl über die überlebenden Kinder sowie über die Helferinnen, die die Transporte organisierten und ermöglichten, zu berichten wusste.
Während anschließend jeweils ein Teil der Gruppe mit Frau Rieber in der Bibliothek des Jüdischen Museum zu einem Informationsgespräch über die Kindertransporte aus Frankfurt zusammensaß, nahm der andere Teil an einer Führung im jüdischen Museum teil. Sie informierten sich über Otto Frank, den Vater Anne Franks, der nach seiner Befreiung aus Auschwitz und seiner Rückkehr nach Amsterdam lange gehofft hatte, auch seine Töchter in Amsterdam lebend wieder zu treffen. Nachdem feststand, dass seine Töchter im KZ Bergen-Belsen umgekommen waren, hat er das Tagesbuch seiner Tochter Anne, die Schriftstellerin werden wollte, veröffentlicht.
Otto Frank hatte Siegbert Werner und Ferdinand Manfred Katz aus Watzenborn-Steinberg nach deren Ankunft im Amsterdamer Burgerweeshuis in Niederländisch unterrichtet. Er war kein Lehrer, sondern hat den geflüchteten Kindern aus Deutschland, die gemeinschaftlich untergebracht waren, mit Sprachunterricht das Ankommen erleichtert.
Es wurde deutlich, dass die Flucht der Kinder aus Watzenborn-Steinberg ein Teil einer großen Fluchtbewegung war. Erschütternd ist, dass es Aufnahmequoten für die deutschen Kinder in den Ländern gab, die sie aufgenommen haben und die trotz eines viel höheren Bedarfs nicht überschritten wurden. Als echte Vorbilder sind die Menschen anzusehen, die die Transporte organisiert und durchgeführt haben.
Während die Kinder Siegbert Werner und Ferdinand Manfred Katz in die Niederlande und von dort weiter nach England fliehen konnten, wurden ihre Eltern aus Watzenborn Steinberg deportiert und ermordet. Ihr Abschied am Bahnhof von ihren Eltern war, wie für so viele Kinder damals, ein Abschied ohne Wiedersehen.
Filiz Bulut
(Leiterin des Fachbereichs Gesellschaftslehre)