Gedenkaktionen an der Adolf-Reichwein-Schule

In der Woche zum Holocaust-Gedenktag hat der Fachbereich GL in Kooperation mit dem Verein Stolpersteine Pohlheim e.V. Aktionen geplant, um den Menschen, die im Holocaust umgekommen sind, zu gedenken.

Holocaust-Gedenktag an der ARS

Die Schüler*innen der Klasse 10d haben an dem Crowdsourcing-Projekt „Jeder Name zählt“ der Arolsen Archives teilgenehmen. Die Arolsen Archives gehören zum UNESCO-Weltdokumentenerbe. Sie haben das Ziel, so bald wie möglich alle Namen aus den Deportations- und Transportlisten der Arolsen Archives von deportierten Juden in einem Online-Archiv zu digitalisieren. Hierbei handelte es sich diesmal um Transportlisten aus dem KZ Stutthof.

Die Schüler*innen haben dabei geholfen, die Informationen auf den Dokumenten zu erfassen, und die Bedeutung dieser Arbeit kennenzulernen. Oft ist der Name auf einer Liste die letzte Spur eines Menschen vor seiner Ermordung durch die Nationalsozialisten. Daher ist es besonders für Familienangehörige enorm wichtig, die Namen einfach und von überall auf der Welt aus finden zu können.

Nach einer gemeinsamen Einführung in die Thematik haben sich dann die Schüler*innen an die Digitalisierung der Listen aus dem Archiv gemacht.

Parallel dazu haben die Schüler*innen auch Juden und ihre Geschichte aus dem Ort Pohlheim kennengelernt. Hierzu wurden sie zu den fünf Verlegestellen in Watzenborn-Steinberg in Kleingruppen geführt. Bei den Stolpersteinen haben sie durch Frau van Slobbe, Stolpersteine Pohlheim e.V., erfahren, wie es den Pohlheimer Juden bei ihrer Umsiedlung/Deportation ergangen ist. Anschließend wurden in einer Reinigungsaktion die Stolpersteine auf Hochglanz geputzt.

Engagement am Gedenktag (Gießener Anzeiger, 27.1.23)
Erinnerungskultur pflegen (Gießener Allgemeine, 27.1.23)

Die Auftaktveranstaltung hatte bereits am 24. Januar im Rahmen einer vom Auschwitz-Komitee in der Bundesrepublik Deutschland e. V. organisierten und durch die Hessische Landeszentrale für politische Bildung geförderte Vortragsreihe stattgefunden (siehe auch Bericht vom 31. Januar).

Mieczysław „Mietek“ Grochowski besuchte die Adolf-Reichwein-Schule, um vor dem Jahrgang 9 über seine Kindheitserinnerungen an das Internierungs- und Arbeitslager Lebrechtsdorf-Potulitz zu sprechen.

Mietek wurde am 25.3.1939 in Pommern in Nordpolen geboren. Er war das jüngste von acht Kindern. In Pommern wurde viel Deutsch gesprochen und es war das politische Ziel der NS-Politik das Land zu „germanisieren“. Dafür mussten sich die Menschen in eine sogenannte „Volksliste“ eintragen, damit sie Deutsche wurden. Mieteks Vater, wie auch sein Großvater, weigerten sich zu unterschreiben. Sie wollten ihre polnische Identität nicht aufgeben und auch nicht gegen Polen in den Krieg ziehen. Daraufhin wurde die gesamte Familie Mitte 1943 in das KZ-Stutthof verschleppt. Mietek kam in das Internierungs- u. Arbeitslager Lebrechtsdorf-Potulitz/Potulice und blieb dort bis Januar 1945, für insgesamt vierzehn Monate. Im Alter von vier Jahren erlebte der kleine Mietek die menschenverachtende Situation in einem KZ mit Hunger, Krankheit, Tod und die tägliche Angst vor Strafe. Den Schüler*innen erzählte er, dass diese Angst bis heute nachwirkt.

Durch den spitzen Frontverlauf wurde Potulitz schon am 21. Januar 1945 von der Roten Armee befreit. So kam Mietek zu seiner Tante; seine Mutter blieb aber noch bis zum Kriegsende im KZ. Sein Vater überlebte das Morden nicht. Nach der Befreiung lebte Mietek zunächst drei Monate bei seiner Tante, bis auch seine Mutter heimkehrte. Sie überlebte Krieg und KZ gemeinsam mit allen Kindern.

In seiner Familie habe man nicht über die Erfahrungen des Krieges gesprochen. „Das Thema war tabu“, erzählte der 83-Jährige. Dies sei der Grund, warum er erst nach seinem 60. Lebensjahr begonnen habe, sich als Zeitzeuge zu engagieren: „Es ist kein leichtes Thema – weder zu hören noch zu erzählen“. Und doch sei es ihm ein wichtiges Anliegen, die Erinnerung wachzuhalten und vor einer Wiederholung der Geschichte zu warnen, denn er sei „einer der jüngsten und einer der letzten Überlebenden“. Hass und Rache seien ihm und seiner Familie zeitlebens fremd gewesen. „In Auschwitz hat ein Häftling in einem Bunker mit den Nägeln an die Wand gekratzt: „Unsere Schatten rufen nicht nach Rache, sondern nach Erinnerung‘“, so Grochowski, „das ist meine Aufgabe.“

Nachdem Mieczysław Grochowski die Fragen der Schüler*innen beantwortet hatte, verabschiedete er sich mit einem Trompetenstück.

Filiz Bulut
(Fachsprecherin GL)