Zeitzeugengespräch an der ARS –

Frau Dr. Eva Umlauf spricht zum Gedenken an die Pogromnacht

Am Donnerstag, dem 11. November 2022 kam die Holocaust-Überlebende Dr. Eva Umlauf auf Einladung des Fachbereichs Gesellschaftslehre an die Adolf-Reichwein-Schule nach Pohlheim, um über ihr Leben zu sprechen, aus ihrem Buch „Die Nummer auf deinem Unterarm ist blau wie deine Augen“ vorzulesen und aus ihrem bewegten Leben zu berichten. Der Vortrag fand in der Aula statt und war nicht nur für die Schulgemeinde, sondern auch für alle Interessierten offen.


Frau Umlauf, die im Arbeitslager Nováky in der Slowakei geboren wurde und später mit ihrer Mutter und ihrer Schwester Ausschwitz überlebte, schilderte ihre Lebensgeschichte anschaulich und las immer wieder Ausschnitte aus ihrem Buch vor. Obwohl sich Frau Umlauf nicht aktiv an die Zeit in Ausschwitz erinnert, prägten sie die Jahre im Konzentrationslager und auch die Erfahrungen, die ihre Familie dort machte und so schilderte eindrücklich verschiedene Stationen ihres Lebens, von der „braunen“ Diktatur der NS-Zeit über die „rote“ Diktatur, den Prager Frühling bis hin in die heutige Zeit. Mit ihrer feinen Sprache gelang es der Zeitenzeugin, die Zuhörer in ihren Bann zu ziehen und dramatische Bilder ins Gedächtnis zurückzurufen. Denn gemäß der Aussage des KZ-Überlebenden und Friedensnobelpreisträgers Elie Wiesel wird jeder, der heute einem Zeugen zuhört, selbst zum Zeugen werden.

Und so schilderte Eva Umlauf einige Erlebnisse, die den Zuhörern sehr nahe gingen.

Sie berichtete von ihrer Mutter, die als Schneiderin für weiße Wäsche im Lager Nováky arbeitete und unter widrigsten Umständen im Dezember 1942 ihre Tochter Eva gebar. Sie erzählte von der späteren Deportation nach Ausschwitz, wo die Eltern getrennt wurden, von den menschenverachtenden Untersuchungen und dem Tätowieren ihres Unterarms. Zu diesem Zeitpunkt war Eva Umlauf noch nicht einmal drei Jahre alt und ihre Mutter erwartete die zweite Tochter Nora, die kurz nach der Befreiung in Ausschwitz zur Welt kam. Während der Vater mit nur 33 Jahren nach langem „Todesmarsch“ in einem Außenlager von Mauthausen ums Leben kam, hatte die Mutter mit ihrer Tochter mehr Glück. Der Transport nach Ausschwitz war der  „glückliche Transport“, denn es war der  erste Transport, der nicht mehr auf direktem Wege in die Gaskammer führte. Nur wenige Tage zuvor waren noch 2000 Menschen aus Theresienstadt sofort bei ihrer Ankunft ermordet worden. An die Zeit im Konzentrationslager Ausschwitz kann sich Eva Umlauf nicht mehr aktiv erinnern, sie war schlichtweg noch zu jung. Bei der Aufarbeitung ihrer Lebensgeschichte fand sie aber unter anderem auch Krankenakten von sich selbst und so grenzt es heute an ein Wunder, dass sie die Zeit in Ausschwitz trotz Tuberkulose, Keuchhusten und Hungerödemen überlebte.

Eva Umlauf berichtete aber auch von den schönen Erlebnissen ihrer persönlichen Geschichte, vom engen Familienzusammenhalt, von der Liebe, die sie nach Deutschland führte, von der Unterstützung einzelner Menschen, die ihr den Start als Ausländerin an einer deutschen Klinik enorm erleichterten.

Im Zusammenhang mit einer Rückfrage aus dem Publikum, woher sie die Kraft für all das genommen habe, brachte sie auch den Begriff der Resilienz ins Spiel, der psychischen Widerstandskraft, die bei jedem Menschen unterschiedlich unterschiedlich ist. Während die eine Person an einem Trauma zerbreche, gehe die andere gestärkt daraus hervor, gemäß dem Motto von Viktor E. Frankl, „…trotzdem Ja zum Leben sagen“. Eva Umlauf geht davon aus, dass ihre Mutter, die in späteren Jahren an schweren Depressionen litt, 1995 an den Spätfolgen der NS-Zeit starb. Sie sieht darin auch die Mahnung, Geschehenes nicht zu Verdrängen, sondern bewusst aufzuarbeiten.

Zum Abschluss des Vortrags gab es eine Gesprächsrunde, in der Fragen gestellt wurden, die Frau Umlauf bereitwillig und sehr ausführlich beantwortete. Die Zuhörer zeigten sich sehr beeindruckt von den Berichten der Zeitzeugin und nahmen die Warnung vor einem erneuten Anstieg des Antisemitismus in Deutschland wahr.

Filiz Bulut